Die Bundesländer arbeiten derzeit an einem Reformstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Seit Juni liegt der Entwurf für einen neuen Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag vor, mit dem eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent – wie von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) im Februar vorgeschlagen – möglich wäre. Mit dem Reformstaatsvertrag sollen auch die Strukturen der ARD geändert und die öffentlich-rechtlichen Sender zu mehr Zusammenarbeit verpflichtet werden. Diemut Roether hat einige der vorgeschlagenen Neuerungen näher betrachtet. […]
ie ARD-Anstalten werden aufgefordert, ihre Sendepläne anzugleichen, um Mantelprogramme nutzen zu können. Die Länder lassen derzeit durch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) prüfen, welche finanziellen Einsparungen sich durch solche Mantelprogramme ergeben können. Nach Ansicht der Länder berührt die Nutzung von Mantelprogrammen “nicht die Eigenständigkeit der Programme”.
Solche Mantelprogramme hat die ARD bei den Kultur- und Informationswellen im Radio bereits eingeführt. Erste Höreindrücke zeigen jedoch, dass durch die Vereinheitlichung der Programme Vielfalt verloren geht. Profilierte Sendungen wurden eingestellt, viele Sendungen zu Literaturkritik und Lesungen im Radio gestrichen. Zahlreiche Autoren und Kulturschaffende hatten gegen diese “Programmpolitik der Zentralisierung und Rationalisierung” protestiert. Sie warnten vor einem “Kahlschlag von Anspruchsvollem und Nachdenklichem zu einem Zeitpunkt, da wir uns als aufgeklärte Gesellschaft die Frage stellen, wie wir gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus vorgehen sollen”. Diskurs und Debatte gingen durch diese Programmreformen verloren.
Fraglich ist, ob sich dadurch tatsächlich so viel einsparen lässt, dass dies einen solchen Vielfaltsverlust rechtfertigen könnte. In der medienpolitischen Debatte um den neuen Staatsvertrag fanden die Proteste der Kulturschaffenden jedoch wenig Widerhall – vermutlich auch, weil es, mit Ausnahme des FDP-Politikers Gerhart Baum, kaum Medienpolitiker gibt, die regelmäßig Radio hören. Würden sie dies tun, wüssten sie auch, dass es schon seit Jahren geübte Praxis unter den Kultur- und Informationswellen ist, Beiträge untereinander auszutauschen. […]
Was die Internet-Angebote der Öffentlich-Rechtlichen angeht, können sich die Medienpolitiker nicht dazu durchringen, den Anstalten mehr Freiheiten zu geben. So soll es beim “Verbot der Presseähnlichkeit” laut Erläuterung noch “Klarstellungen im Lichte der bisherigen Erfahrungen” geben. Darüber, ob einige der öffentlich-rechtlichen Internet-Angebote presseähnlich sind, streiten Verleger und Sender seit Jahren vor Gericht. Der Medienrechtler Jan Christopher Kalbhenn hatte kürzlich in einem Papier der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung empfohlen, das Verbot der Presseähnlichkeit abzuschaffen. Dieses Verbot sei “im Zeitalter nahezu vollständig konvergenter Medienangebote nicht mehr zeit- und sachgemäß und widerspricht dem Prinzip der Barrierefreiheit”, schrieb er. […]
Mit dem Rationalisierungsmodell ließe sich die von der KEF vorgeschlagene Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent wohl schon im nächsten Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag festschreiben, wenn die Ministerpräsidenten diesen im Herbst unterschreiben. Es wäre gut, wenn die Rundfunkbeitragsdebatte, die seit Jahren politisch aufgeladen und zum populistischen Generalangriff auf die öffentlich-rechtlichen Medien genutzt wird, so rationalisiert werden könnte. Dennoch darf man bezweifeln, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf diese Weise auf Dauer tatsächlich angemessen finanziert bleibt.
https://medien.epd.de/article/1741
Die Ministerpräsidenten der Länder werden sich früher als bisher geplant mit der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks befassen. Wie der sachsen-anhaltische Medienminister Rainer Robra (CDU) am Donnerstag vor der Enquete-Kommission zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks des Landtags in Magdeburg mitteilte, werden sich die Regierungschefs bereits am 26. September in einem sogenannten “Kaminformat” vertraulich über die Reformpläne austauschen.
http://meedia.de/news/beitrag/17542-bundeslaender-geben-bei-rundfunkreform-gas.html
Verpufft die Reformenergie für die Öffentlich-Rechtlichen?
In diesen Tagen entscheidet sich, ob aus der ARD eine neue, effiziente und tatsächlich steuerbare Organisation werden kann. Mindestens ein revolutionärer Reformvorschlag ist zurückgezogen. […]
Aber nach allem, was in diesem Sommer aus der ARD zu hören war, könnte diese Klage sogar schon sehr bald eingereicht werden – nämlich dann, wenn in den nächsten Wochen absehbar würde, dass der Wille und der Zeitplan der Länder – Verzögerung durch Landtagswahlen inklusive – für ein fristgerechtes Beitragsverfahren nicht mehr reicht. Schon jetzt scheint das fast unmöglich.
Vor allem aber ist ziemlich offensichtlich, dass die Reform der Sender erst einmal ruhen dürfte, sobald die Beitragsklage in Karlsruhe eingereicht ist. Bei den Reformstaatsverträgen, die eigentlich ein Sanierungsplan für ARD und ZDF sind, wäre der Druck für unbestimmte Zeit erst mal raus, die Erneuerung gescheitert. […]
Die Arbeit an den entscheidenden Formulierungen findet nun dieser Tage jenseits der Öffentlichkeit statt. Es ist die Phase, in der politische Wünsche eingepreist werden, die Phase, in der verschiedenste Machtinteressen das diplomatisch Machbare definieren. […]
Würde dieses Papier so umgesetzt, wäre die ARD eine neue, effiziente und tatsächlich steuerbare Organisation, die einen konkreten Geschäftsführer hat, der beispielsweise kostensparende Kooperationen mit dem ZDF qua Kompetenz verhandeln oder Aufgaben in der ARD zentralisieren kann. Es gäbe einen Medienrat, in dem externe Experten prüfen, ob die Sender ihren Auftrag erfüllen. Es gäbe dann einen Deckel für den Erwerb von Sportrechten und eine kluge und augenscheinlich auch rechtlich passable Lösung für eine verfassungsgemäße Beitragsanpassung ohne ständiges Geschrei. […]
Heike Raab, die als Staatssekretärin für das Land Rheinland-Pfalz den Vorsitz in der Rundfunkländerkommission führt, bestätigt nun der SZ, dass der Referentenentwurf vom Juni von der Kommission verworfen wurde. Die ARD sei dort „wie eine Holding strukturiert“ worden – was der Zukunftsrat tatsächlich vorgeschlagen hatte. Doch man sei der Auffassung, dass man damit keine Strukturen einsparen, „sondern möglicherweise zusätzliche schaffen“ würde, so Raab.
Wie die FAZ zuerst berichtete, ist die Rundfunkkommission konkret dabei, den großen Wurf an mindestens einem elementaren Punkt zurückzudrehen. Demnach sei der Posten eines Geschäftsführers oder einer Geschäftsführerin nun vom Tisch. Dazu betont Heike Raab auf Anfrage zunächst, dass alles derzeit „work in progress“ sei. Man arbeite an Vorschlägen, „wie wir den Auftrag qualitativ aufwerten und quantitativ beschränken“. Zum Beispiel wisse die Rundfunkkommission bereits, „dass wir die Anzahl der Hörfunkprogramme erheblich reduzieren wollen, aber diskutieren noch über zwei verschiedene Modellvarianten“. Zum Geschäftsführer so viel: „Wir haben verworfen, dass wir neue zentrale Strukturen schaffen, zusätzlich zu den bisherigen.“ Auch da seien die Überlegungen nicht fertig, aber man habe die Sorge, sagt Raab, dass man mit einer ARD-Geschäftsführung „eine zehnte Intendanz aufbaut“. Es helfe ja am Ende nichts, „wenn eine neue Struktur erst mal zu weiteren Kostensteigerungen führt, das ist unsere Befürchtung“. […]
Allerdings braucht die ARD für die wichtigen Aufgaben der Zentralisierung von Verwaltung und Technik ihrer neun Anstalten zweifellos eine Person mit genug Handlungssouveränität, um nicht an den Beharrungskräften zu scheitern. Das ist sozusagen das Kernstück der ganzen Reform. […]
Ob das alles hilfreich ist, oder ob da gerade eine große Energie zum Minimalkonsens verpufft, wird man dann wissen, wenn es den fertigen Gesetzesvorschlag gibt. Messen lassen muss sich das Ergebnis am Referentenentwurf vom Juni – an der verwegenen Idee, das Maximum an Reform ganz unverblümt umzusetzen.
https://www.sueddeutsche.de/medien/ard-zdf-reform-heike-raab-lux.NuWrNaNUUriQJDRtY8Lqka
Quelle: DIMBB-MEDIEN-News